Samstag, 18. April 2020

Historisch unterwegs - Lügde erleben (Ein Rundgang entlang der Stadtmauer)

Ein kleiner Streifzug durch meine Heimatstadt

Die aktuelle Devise: Stay Home! Stay safe! Für viele bedeutet es Langeweile, keine Ausflüge, kein Urlaub. Frust. Wenn ich mal einen schlechten Tag erwische gehöre ich auch ich zu dieser Fraktion. Wie gerne würde man jetzt raus und weg. Den ganzen Ärger, die ganzen Beschränkungen einfach hinter sich lassen. Aber dies ist ja leider nicht möglich. Was also tun?

Ich versuche einfach meine Heimat und die umliegende Umgebung mal mit anderen Augen zu sehen. All das in den Fokus zu rücken, was mir sonst unter normalen Bedingungen entgeht, oder was ich mittlerweile als normal erachte. Ich probiere einfach meine vertraute Umfeld neu zu entdecken.

Heraus gekommen ist ein kleiner Streifzug durch meine Heimatstadt. (Die  Fotos habe ich Anfang März gemacht, als all die Beschränkungen noch am Anfang standen) Vielleicht habt ihr Lust mich ein wenig zu begleiten? In Lügde gibt es so viel zu sehen. Lust auf einen kleinen Stadtrundgang?




Startpunkt ist am Brückentor (1). Hier fällt als erstes der alte Wehrturm auf. Er ist der erste von zwei erhaltenen Türmen und Teil der noch komplett erhaltenen Stadtmauer. In früheren Zeiten wurde er als Gefängnis genutzt und kann an manchen Tagen wie z.B während des Vorprogramms zum Osterräderlauf oder am Tag des offenen Denkmals besichtigt werden.

 

Das zweite markante Bauwerk ist das heutige Dechenheim. Früher als Feuerwehrhaus genutzt, dient es seit 1991 dem Dechenverein als Vereinsheim. Die Dechen sind die „Brauchtumswächter“ und Veranstalter des Osterräderlaufs. Im Erdgeschoss befindet sich eine kleinen Ausstellung mit viel Wissenswertem über diese alte Tradition. Sie kann am Ostersonntag und sonst nach Vereinbarung besucht werden.

Mit Blick auf den Turm wenden wir uns rechts und betreten den Emmerauenpark. Würde man nach links gehen, käme man zum „Emmer Beach“. Hier wurde beim Anlegen des Emmerauenparks eine Insel aufgeschüttet und so ein flacher Nebenarm in der Emmer geschaffen. Der Sandstrand lädt vor allen Dingen im Sommer zum Sonnenbaden ein. Die Hängematten sind hierfür auch sehr beliebt. Die Kinder können im Wasser planschen (Achtung! Keine Badeaufsicht!) und den aufgestellten Aussichtsturm erklettern. Ein Beachvolleyballfeld kann für ein Spiel genutzt werden und ein kleiner Hundestrand ist auch vorhanden.



Zurück zu unserem Rundgang. Wir folgen dem Verlauf der Stadtmauer und gehen durch den Emmerauenpark. Dieser wurde im Zuge des Tunnelbaus für die Stadtumgehung angelegt und 2014 eröffnet. Das Highlight besonders für Familien mit Kindern ist der große Abenteuerspielplatz in Form eines Schiffes. (2) Er lädt zum Schaukeln, klettern und rutschen ein und ist besonders am Wochenende ein gern genutztes Ausflugsziel. Die Eltern können in Sichtweite auf den zahlreichen Bänken entspannen oder es kann auf den umliegenden Wiesen gepicknickt werden.

 

Ein paar hundert Meter weiter erreichen wir das Kriegerdenkmal (3). Hier gedenkt Lügde seiner Toten aus den zwei Weltkriegen. Jedes Jahr erfolgt eine Kranzniederlegung an Schützenfest und Volkstrauertag. Seit 2018 ziert den Sockel mit den Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg wieder die Bronze-Skulptur „Die Trauernde“. Auch ursprünglich war eine Ausgabe dieser Skulptur dort montiert. Diese war aber im zweiten Weltkrieg zugunsten der Rüstungsindustrie eingeschmolzen worden.

 

Am früheren oberen Tor überqueren wir die Straße. Gut ist von hier die „Mittlere Straße mit den typischen Fachwerkhäusern und die abzweigenden Straßen „Vordere Straße“ (rechts) und „Hintere Straße“ (links) zu erkennen. Lügde wurde nach dem lippischen drei Straßen Modell angelegt: Drei Hauptstraßen, die durch schmale Gassen leiterförmig miteinander verbunden sind.

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Wir folgen der Stadtmauer, die weiterhin links von uns verläuft, weiter auf den alten Wall (4). Hier lässt sich besonders gut erkennen, dass die Stadtmauer die komplette Altstadt umschließt und hier die Stadt zusätzlich durch einen Wassergraben abgesichert wurde. Von diesem ist aber nur noch die sogenannte kleine Emmer übrig. Ein schmaler Bach der sich durch die Wiesen schlängelt. Die Stadtmauer ist heute noch komplett erhalten, da sie einen wichtigen Schutz vor Hochwasser für den historischen Ortskern darstellt.



Wir folgen dem Weg immer weiter. Auf Höhe des Schützenplatzes können wir links hinter der Stadtmauer die evangelische St. Johanneskirche (5) erkennen. Sie wurde 1864 erbaut und ist eine von zwei ortsbildprägenden Kirchen.

 

Am Ende es „Alten Walls“ steht links in eine Ecke der Stadtmauer eingepasst der zweite noch erhaltene „Wehrturm im Winkel“ (6). Im Gegensatz zum ersten Turm am Brückentor wurde dieser Turm nicht als Gefängnis genutzt, sondern diente nach dem großen Stadtbrand von 1797 als Armenhaus. Ursprünglich gab es sieben Türme, von denen fünf aber nach und nach abgetragen wurden, um mit den Materialien z.B. Häuser oder Scheunen zu bauen.





















Wir biegen links in die Bahnhofstraße ab und folgen dieser bis zum Verkehrskreisel. Diesen umrunden wir uns rechts haltend gegen den Uhrzeigersinn. So gelangen wir schließlich zum Denkmal „Die Zigarrendreherin“ (7). Dieses Denkmal wurde 2011 eingeweiht und von der Firma Schwering und Hasse gestiftet. Die Herstellung von Zigarren in der 1858 gegründeten „Zigarrenfabrik Schwering und Hasse“ sowie in Heimarbeit stellte von 1848 bis 1991 einen wichtigen Wirtschaftszweig in Lügde dar. So trugen vor allem Frauen einen nicht unerheblichen Teil zum Einkommen der Familie bei. Noch einige alte Lügder können sich daran erinnern, wie sie selbst oder ihre Mütter zuhause die Zigarren herstellten, die später in alle Welt exportiert wurden.


 

Direkt neben dem Denkmal befindet sich das ehemalige Franziskaner Kloster (8). Es wurde 1749 von Franziskanermönchen im Barockstil erbaut und 1756 eingeweiht. Später wurde es von der katholischen Kirchengemeinde gekauft und von 1912 bis 1958 als Krankenhaus genutzt. Heute haben hier die kath. Kindertagesstätte, das Gemeindezentrum und eine Bücherei Platz. Im Klostersaal findet die bekannte Veranstaltungsreihe „Kultur im Kloster“ statt.

 

Direkt hinterm Kloster biegen wir rechts in die Hintere Straße ein und folgen dieser. Bald schon erreichen wir die Häuser Nr. 10, 12 und 14. Sie sind schöne Beispiele der in Lügde noch oft vertretenen Ackerbürgerhäuser im Fachwerkstil. Zugleich sind sie die ältesten Häuser Lügde, da sie den großen Stadtbrand von 1797 überstanden haben. Dieser legte große Teile Lügde in Schutt und Asche. Aus dem folgenden Wiederaufbau resultiert das heutige Stadtbild.

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An der Kreuzung „Hintere Straße“/“Brückenstraße“ wenden wir uns schließlich wieder nach rechts und gelangen so zum Ausgangspunktpunkt unserer Tour zurück.

Wer Lügde noch weiter erkunden möchte, dem kann ich weitere Punkte innerhalb des historischen Stadtkerns empfehlen:

Sieht man die Siluette von Lügde ist hier vor allem der Turm der kath. St. Marien Kirche (10) neben dem Marktplatz prägend. Die heutige Kirche wurde 1894 errichtet. Die Vorgängerkirche stammte noch aus den Zeiten der Stadtgründung im 12/13 Jhd. Besonders schön ist das große Chorfenster hinter dem Hochaltar.






Auf dem Marktplatz kann der Ziegenbrunnen (11) besichtigt werden. Er erinnert an die Zeiten, als in Lügde eine Ziege in jeden Haushalt gehörte und der Ziegenhirte jeden Morgen die Ziegen zum Weiden vor die Stadt trieb. Der Brunnen stellt mit seinen Figuren die Szene nach, die sich dann allabendlich auf dem Marktplatz abspielte: Der Hirte ist mit den Ziegen zurück und wartet auf die Bauern, die ihre Ziegen abholen.

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In der vorderen Straße an der Kreuzung zur Schulstraße steht das Denkmal für den in Lügde geborenen Johannes Gigas (12). Gigas lebte von 1582 bis 1637 und war ein Kartograf, Mediziner, Mathematiker und Physiker. Er stellte als einer der Ersten maßstabsgetreu Karten her und entwickelte eine eigene Methode der Landvermessung. Seine Messungen und Berechnungen waren für damalige Verhältnisse ausgesprochen genau. So betrug seine Messungenauigkeit für den Erdumfang „nur“ 1300km. Bedenkt man, was zu seinen Zeiten möglich war ist dies nach heutigen Maßstäben sehr gering und somit durchaus bemerkenswert.

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Zuletzt kann ich noch das Heimatmuseum (13) empfehlen. Es liegt direkt an der „Mittleren Straße“ in der Nähe des Kriegerdenkmals. In diesem Haus entstand der große Stadtbrand von 1797. Die Hausinschrift im Torbogen erzählt hiervon. Seit 1987 beherbergt das Haus das Heimatmuseum. Die Ausstellung erzählt vom Leben der Bauern, den Hochwasser- und Brandkatastrophen, der Zigarrenherstellung und Spitzenklöppelei als wichtige Wirtschaftszweige, dem Osterräderlauf und weiteren interessanten Punkten in der Geschichte unserer Osterräderstadt.

 

Sportlich ambitionierte können noch den Osterberg besteigen. Von hier stürzen Ostersonntag abends nacheinander sechs brennende, mit Stroh gestopfte Eichenräder ins Tal. Jedes Mal ein Spektakel, das von tausenden Zuschauern bestaunt wird und es bereits in die Liste des immateriellen Kulturerbes des Landes NRW sowie in die UNESCO-Liste der Bundesrepublik Deutschland geschafft hat. Gekrönt wird alles durch ein grandioses Höhenfeuerwerk.



Ich hoffe ich konnte euch die schönen Seiten meiner Heimatstadt zeigen und euch ein wenig neugierig machen. Vielleicht habt ihr ja Lust Lügde zu besuchen, wenn die Corona Krise überstanden ist? Es lohnt sich auf jeden Fall!

Den Stadtrundgang entlang der Stadtmauer habe ich wieder als Komoot-Tour aufgezeichnet. Die Tour findet ihr hier:

https://www.komoot.de/tour/t161963488?ref=atd

 



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