Sonntag, 10. Mai 2020

Märchen, Sagen und Geschichten - Die Springwurzel und der Köterberg

Der Schatz im Monte Wau Wau

Man sagt immer so schön: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah!Viele zieht es in die Ferne, dabei verdient doch auch unsere Heimat unsere Beachtung. Viele verlernen den Blick auf all die Schönheit und die Abenteuer, die auch in unserem vertrauten Umfeld auf uns warten. All die Erlebnisse, die vor unserer Haustür zu finden sind und entdeckt wollen werden. Gerade in der aktuellen Situation sind so viele am jammern, weil der Urlaub in der Ferne ausfällt. Dabei gibt es doch auch zuhause und in der nahen Umgebung so viel zu erleben, zu sehen und zu erfahren. 

Für viele mag es altmodisch und langweilig klingen, aber seit frühester Kindheit interessiere ich mich für die Zeit von damals. Es gab nichts schöneres als die Sachen zu erforschen, die ich im Museum und aus den Erzählungen meiner Mutter über die Geschichte meiner Heimatstadt Lügde erfahren konnte. Besonders die alten Sagen und Märchen haben es mir dabei besonders angetan. Sogar im Urlaub höre ich mich gerne um, welche regionalen Mythen und Geschichten es gibt.

Meine Lieblingssage aus unserem Geschichtenschatz hier in Lügde ist die Erzählung über die Springwurzel, die auf dem Köterberg spielt.

Der Köterberg gehört zu unserer Großgemeinde Lügde und ist mit ca. 496m ü.NN die höchte Erhebung im Weserbergland. Von ihm kann man bei guten Wetter und klarer Sicht bis zum ca. 90km entfernten Brocken im Harz sehen.

Der oft scherzhaft „Monte-Wau-Wau“ genannte Berg hat seinen Namen allerdings nicht dem Hund zu verdanken, sondern der alten Bezeichung „Kötterberg“ oder „Keutersberg“, was so viel wie „Grenzberg“ bedeutet. Noch heute befindet sich auf dem Berg die Grenze zwischen den Kreisen Lippe, Höxter und Holzminden und somit auch die Grenze zwischen Nordrheinwestfalen und Niedersachsen.

Die Sage von der Springwürzel hat es bis in die Sammlung der Märchen und Sagen der Brüder Grimm geschafft. 1816 erwähnen sie den Köterberg in Ihren Aufzeichungen und bezeichnen ihn als Götzenberg. Eine zweite Erzählung, die auf dem Köterberg spielt, schafft es ebenfalls in die Sammlung. Das Märchen von den drei Vögelchen.

Hier nun meine Lieblingserzählung. Viel Spaß beim Lesen.



Die Springwurzel


In früheren Zeiten hütete ein Schäfer friedlich seine Herde auf dem Köterberg. Da stand plötzlich ein prächtiges Königsfräulein vor ihm und sprach: »Nimm die Springwurzel und folge mir.«


Die Springwurzel erhält man dadurch, dass man einem Grünspecht (Elster oder Wiedehopf) das Nest mit einem Holz versperrt. Der Vogel fliegt, sobald er dies bemerkt, fort und weiß wo er die wunderbare Wurzel finden kann, die ein Mensch immer vergeblich gesucht hat. Er bringt sie im Schnabel und will sein Nest damit wieder öffnen. Er hält sie vor den Holzkeil und dieser springt heraus, wie vom stärksten Schlag getroffen. Hat man sich versteckt und macht nun großen Lärm, so läßt er die Wurzel erschreckt fallen (man kann aber auch nur ein weißes oder rotes Tuch unter dem Nest ausbreiten. Der Vogel wirft er sie darauf, sobald er sie gebraucht hat).


Eine solche Springwurzel besaß der Hirte. Er ließ nun seine Tiere weiden und folgte dem Fräulein. Sie führte ihn in eine Höhle in den Berg hinein. Kamen sie zu einer Türe oder einem verschlossenen Gang, so mußte er seine Wurzel vorhalten und die Tür oder Wand sprang einfach auf.


Sie gingen immer weiter, bis sie etwa in die Mitte des Bergs gelangten. Da saßen noch zwei Jungfrauen und spannen emsig. Der Teufel war auch da, aber ohne Macht und unten an den Tisch, vor dem die beiden saßen, festgebunden.


Ringsum war in Körben Gold und Edelsteine aufgehäuft, und die Königstochter sprach zu dem Schäfer, der da stand und die Schätze staunend anstarrte: »Nimm dir, soviel du willst.« Ohne Zögern griff er zu und füllte seine Taschen, bis diese randvoll waren. Und als er reich beladen, wieder hinaus wollte, sprach sie: »Aber vergiß das Beste nicht!« Er dachte, das wären die Schätze, und glaubte sich gut versorgt zu haben, aber es war die Springwurzel, die ihm den Weg geöffnet hatte.


Wie er nun hinaus trat, schlug das Tor krachend hinter ihm zu. Hart an seine Ferse, doch ohne ihm weiteren Schaden zuzufügen. Die großen Reichtümer brachte er glücklich nach Haus, aber den Eingang konnte er nicht wiederfinden, denn er hatte die Springwurzel auf dem Tisch im Innern des Berges gelassen.

 

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